Dr. Alfred Rhomberg, Chemiker, Künstler und Publizist

 

geb. 1936, Hannover

 

Mittelschule: 1946 -1954 Innsbruck (Bundesrealschule)

Studium: Chemie, Nebenfächer: Mineralogie, Philosophie, Psychologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, prom. 1963

 

Pharmaforschung 1963 - 1965 als Hochschulassistent an der Universität Innsbruck, 1965-1966 Royal Dutch Shell, 1966 -1994 Pharmaforschung bei Boehringer Mannheim GmbH (heute Roche Diagnostics)

 

1996 Rückkehr nach Igls

 

Iglerstraße 47/13
6080 Igls

Experimental Art - irgendwo zwischen zeitgenössischer Kunst, Avantgard und Kitsch

 

© Alfred Rhomberg - unteres Bild 2 Minuten nach dem oberen aufgenommen - Kitsch oder schon experimentelle Kunst?

 

 

 

 

Der Begriff „Experimentelle Kunst“ wird heute in allen Kunstgattungen (Literatur, Musik, den bildenden und darstellenden Künsten) unverhältnismäßig häufig gebraucht – gelegentlich fragt sich ein nachdenklicher Hobbykünstler, was “Experimental Art” eigentlich bedeutet, nachdem er von KunsthistorikerInnen mit präzisen Antworten im Stich gelassen wird. Die Antworten der ExpertInnen sind so unterschiedlich, dass frau/man offenbar selbst etwas darüber nachdenken muss, denn die Existenz von „experimental art“ scheint ja durch zahlreiche Institutionen wie Museen, Galerien für Experimentelle Kunst und entsprechende Abteilungen in Kunstakademien belegt zu sein.

 

Experimente gehören zum Wesen europäischer Kunst (zumindest seit der Renaissance). Insbesondere in der Malerei wurde mit Aufkommen der Naturwissenschaften häufig versucht, Kunst und Wissenschaft zu verbinden. Dieser Gedanke ist heute am ehesten in der „Avantgarde“ (eigentlich einem Begriff des 20. Jahrhunderts) durch die Einbeziehung medialer bzw. technischer Möglichkeiten legitimiert. Der Schritt von der Avantgarde zur „zeitgenössischen Kunst“ ist einerseits nicht groß, andererseits ziemlich unklar – denn was bedeutet „zeitgenössisch“? In der Musik sind die ehemals zeitgenössischen Kompositionen von Arnold Schönberg, Alban Berg oder György Ligeti längst überholt und in der Malerei sind die im letzten Jahrhundert damals zeitgenössischen Kunstrichtungen des Surrealismus, Expressionismus, Konstruktivismus etc. ebenfalls passée. Nur die Pop-Art ist langlebiger, was nicht verwunderlich ist, weil sie mit ihrem Hang zum Kitsch (Andy Warhol einbezogen), grundsätzlich nicht ausrottbar und zudem beliebig an jeweilige Zeitströmungen anpassbar ist. Wer gar im Internet unter den Begriffen „Experimentelle Kunst“ oder „Experimental Arts“ sucht, wird völlig verunsichert – denn hier überwiegt der „Kitsch“, der sowohl von Hobby- als auch professionellen Künstlern präsentiert wird – ob es sich allerdings tatsächlich um Kitsch handelt, wer könnte das schon beurteilen?

 

Als kunstbegeistertem Naturwissenschaftler ist das Experiment für den Autor die unabdingbare Vorstufe für ein öffentlich präsentierbares Ergebnis. Weder ChemikerInnen noch PhysikerInnen würden ihre Experimente veröffentlichen, wenn sie nicht als Beweisgrundlage für eine zumindest vorläufige Theorie benützt würden. Wenn ein Pharmaunternehmen Produkte im „Experimentierstadium“ auf den Markt brächte, wären Schadensersatzforderungen unausbleiblich und auch eine unausgereifte Computersoftware oder ein nicht völlig ausgetestetes Automodell wären undenkbar. In der Kunst gibt es keine Schadensersatzforderungen bzw. Vergütungen – alles lässt sich daher ungestraft offiziell präsentieren und wird von einigen (auch Kunstsachverständigen) applaudiert. Hat der Begriff „Experiment“ in den Künsten eine andere Wertigkeit als in den Wissenschaften? Es scheint so – der Autor wünschte sich also, dass KünstlerInnen zu ihrem jeweiligen präsentierten Produkt stehen und sich nicht hinter dem Begriff der experimentellen Beliebigkeit verschanzen. Die Nachwelt wird sich weniger für Experimente der Kunst als für die Aussagekraft eines Werkes nach einem experimentell erarbeiteten Prozess interessieren – wozu also der Begriff „Experimental Arts“ ?

 

Der Begriff „Experimentelle Kunst“ verleitet gerade durch die Nichtdefinierbarkeit zu jener Beliebigkeit, die unserer gesamten Kultur heute anhaftet.

 

 

(erstmalig publiziert 2011 in startblatt.net)

 

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