Dr. Alfred Rhomberg, Chemiker, Künstler und Publizist

 

geb. 1936, Hannover

 

Mittelschule: 1946 -1954 Innsbruck (Bundesrealschule)

Studium: Chemie, Nebenfächer: Mineralogie, Philosophie, Psychologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, prom. 1963

 

Pharmaforschung 1963 - 1965 als Hochschulassistent an der Universität Innsbruck, 1965-1966 Royal Dutch Shell, 1966 -1994 Pharmaforschung bei Boehringer Mannheim GmbH (heute Roche Diagnostics)

 

1996 Rückkehr nach Igls

 

Iglerstraße 47/13
6080 Igls

Gedanken zur Darstellenden Geometrie

 

oT (VII) - © Alfred Rhomberg
M II - © Alfred Rhomberg

 

 

Gedanken zur darstellenden Geometrie

 

Der Autor der Igler Experimente hat sich während seiner Mittelschulzeit in der Bundesoberrealschule Innsbruck damals noch sieben Jahre mit dem Fach „Darstellende Geometrie“ (außer der herkömmlichen Geometrie) herumgeplagt – was zumindest für mich keine Plage, sondern die spannende Auseinandersetzung war, zweidimensionale Objekte mit Hilfe der zahlreichen Methoden der Darstellenden Geometrie zu einem dreidimensionalen Leben zu erwecken. Die Bedeutung dieses Faches hat seit der Erfindung des Computers und den 3D-Gestaltungsmöglichkeiten mittels sogenannter CAD-Softwares (Computer aided Design) stark abgenommen. Zudem war das Fach „Darstellende Geometrie“ in erster Linie für angehende Architekten konzipiert, die heute gleichfalls hauptsächlich mit CAD Programmen arbeiten. Das Fach galt als „schwierig“ und es hieß, dass Fächer „Latein und Griechisch“ in den entsprechenden Gymnasialtypen durch Fleiß zumindest zu befriedigenden oder genügenden Noten führen würden – wer allerdings kein Vorstellungsvermögen habe, könne auch mit Fleiß schwierige Probleme der darstellenden Geometrie nicht bewältigen (Darstellende Geometrie wurde in Österreich früher allerdings auch in Realgymnasien in einer abgespeckten Form zwei Jahre lang gelehrt).

 

Aus heutiger Sicht war die siebenjährige Beschäftigung mit diesem Fach sicher zeitlich übertrieben – falsch wäre allerdings die Bedeutung der Darstellenden Geometrie hinsichtlich des Vorstellungsvermögens zu unterschätzen, weil gerade durch dieses Fach das Vorstellungsvermögen  besonders geschult wurde. 

 

Anm.: Darstellende Geometrie ist heute ein Unterrichtsfach in technisch-berufsbildenden Schulen bzw. an Technischen Hochschulen oder Fachhochschulen.

 

Richtig ist sicher ein Zitat von Prof. Horst Sondermann, Hochschule für Technik Stuttgart:

 

„Darstellende Geometrie ist nicht in einem oberflächlichen Sinn Voraussetzung, ein CAD-Programm zu beherrschen. Sie zu üben, ist vielmehr eine Primärerfahrung, indem die räumliche Vorstellungskraft, das Abschätzen und Auswählen von Lösungsstrategien und die Präzision des Denkens trainiert werden.“

 

Ergänzt werden sollte, dass gerade durch die räumliche Vorstellungskraft, der kritische Umgang mit CAD Programmen erst möglich wird.

 

Hat das Fach „Darstellende Geometrie“  in anderen Fachbereichen (außer Architektur) heute noch irgendeine Bedeutung?

 

Dazu eine kleine Anekdote anlässlich der 40-jährigen Maturafeier meiner Klasse, bei der auch unser damaliger Professor für Darstellende Geometrie anwesend war und unsere Runde fragte, für wen dieses Fach in seinem Berufsleben irgend eine Bedeutung gehabt habe. Es gab nur zwei Architekten in unserer Runde, welche die Frage uneingeschränkt bejahen konnten – die Frage war auch an mich als Chemiker gerichtet und ich konnte die ehrliche Antwort geben, dass gerade für einen organischen Chemiker räumliches Vorstellungsvermögen besonders wichtig sei. Tatsächlich werden selbst komplizierte räumliche chemische Strukturen in Lehrbüchern und Publikationen meist „flach“ dargestellt - die besonders in Naturstoffen häufig auftretenden „nicht flachen“ Moleküle oder Molekülgruppen werden allenfalls durch schwarze Dreieckspfeile bzw. gestrichelte Bindungen angedeutet, je nachdem, ob sie über oder unter der Papierebene mit dem Hauptmolekül gebunden sind. Es bedarf einiger Vorstellungskraft, sich aus diesen Darstellungen räumliche Gebilde vorzustellen, was mir durch mein Training durch das Fach „Darstellende Geometrie“ erheblich leichter als den meisten meiner deutschen Kollegen fiel, weil das genannte Fach schon seit sehr langer Zeit in deutschen Gymnasialtypen nicht mehr gelehrt wurde. Als später (etwa in den 80-iger Jahren) auch in der chemischen Forschung Computersoftwares zur Darstellung räumlicher Modelle Eingang gefunden hatten (Molecular Design), wurde das Problem der räumlichen Vorstellung zwar erleichtert – und doch gilt auch hier der oben zitierte Satz von Prof. Horst Sondermann der TH Stuttgart.

 

Insgesamt hat die allgemeine Bedeutung des Faches „Darstellende Geometrie“ sicher abgenommen, weil es kein Anliegen der „Allgemeinbildung“ mehr sein kann.

 

Was bedeutet die „Darstellende Geometrie“ für einen Künstler (und sei es nur für einen Hobbykünstler)?

 

Trotz der komplizierten Darstellungswelten, die sich durch das Fach „Darstellende Geometrie“ aufdrängen, hat ein Künstler stets die Möglichkeiten, sich entweder zwischen oder außerhalb dieser Welten zu bewegen. Gerade das sich „außerhalb der Welten“ zu bewegen, erfordert jedoch die Kenntnis der wahren Welten.

 

Die beiden oben gezeigten Bilder bewegen sich beide „außerhalb“ der vorgegeben Welten, wobei der Kontrast zwischen der komplizierten Darstellung des Bildes oT (VII) und M II außerordentlich groß ist.

 

 

(8. 4. 2014)

 

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